"Bildnismalen ist die kühnste und schwerste, die geistigste, die äußerste Aufgabe für den Künstler" – und für die Künstlerin. Denn das Zitat stammt von Gabriele Münter. Ein außergewöhnlich großformatiges Kinderporträt der bekannten Expressionistin kommt am 16. Juli zum Aufruf: das Bildnis von Gustl Blab (wohl um 1908, Schätzpreis € 150.000/250.000). Ein Werk, mit dem sie – wie sie selbst schrieb – "nach kurzer Zeit der Qual einen großen Sprung gemacht" hat, "vom Naturmalen" zum "Geben eines Extrakts".
Frauen in der Kunst ist in den Sommerauktionen des Münchner Kunstauktionshauses ein großes Thema. "Anhand der Werke unserer umfassenden Offerte lässt sich nachvollziehen, wie sich ihr Bild und ihre Rolle im Kunstbetrieb gewandelt hat", erklärt Sheila Scott, Leiterin Moderne Kunst und Geschäftsführerin bei Karl & Faber.
Da ist zum Beispiel im Bereich der Moderne Pierre-Paul Girieud, der mit seinem Portrait d’Émilie Charmy (€ 40.000/50.000) bereits eine Hommage an seine Malerkollegin schuf. Marc Chagall dagegen verewigte 70 Jahre später in seinem Intérieur jaune (1978–80, € 280.000/350.000), ein Selbstbildnis mit seiner Ehefrau "Vava", diese noch als klassische Muse.
In der zeitgenössischen Kunst sind unter anderen auch drei der aktuell erfolgreichsten deutschen Künstlerinnen vertreten: Wie Jorinde Voigt mit Perm I, II und III (2007). Das Triptychon besitzt für sie selbst einen hohen Stellenwert. Das bezeugen ihre ausführlichen Äußerungen zu diesem Frühwerk (€ 80.000/120.000). Von Katharina Grosse kommt mit der Losnummer 844 ihre Acrylplastik Ohne Titel (2015/80016L) zum Aufruf, eine Skulptur, die sie als Teil ihrer Installation auf der Biennale von Venedig 2015 präsentiert hatte (€ 20.000/35.000). Derzeit ist von der Malerin raumgreifender Werke eine große Installation im und um den Hamburger Bahnhof Berlin zu sehen. Isa Genzken ist hier die Dritte im Bunde. Die vierteilige Arbeit Ohne Titel (Roboterdruck), (1978) stammt aus ihrem Frühwerk und gilt als zeichnerische Umsetzung ihrer Ellipsoiden. Der Computerdruck entstand anlässlich einer ihrer ersten Einzelausstellungen im Kabinett für aktuelle Kunst Bremerhaven (€ 20.000/25.000).
Eine feministische Sichtweise vertritt schließlich die US-Künstlerin Kathryn Andrews. Sie kombiniert Readymades mit Fundstücken. So auch bei Clown Cabinet (2012), wo poppige Seidenkrawatten und ein bunter Porzellanteller mit einem alten Karteikartenschrank korrelieren (€ 50.000/60.000). Als eine der wenigen weiblichen Pionierinnen der italienischen Avantgarde der 1960er Jahre gilt Dadamaino (Eduarda Emilia Maino). Bekannt wurde sie damals vor allem für ihre Volumi-Serien. Eines der frühesten Beispiele ist das angebotene Werk Volumevon 1959 (€ 20.000/25.000).
In Zeiten wie diesen können wir es kaum erwarten, dass wir wieder reisen können. Vorfreude vermitteln uns Werke, die unter der Sonne des Südens entstanden. Etwa in Frankreich, wie Pablo Picassos Homme à l’agneau, mangeur de pastèque et flûtiste (1967). In der Kreidezeichnung ist neben dem Flötenspieler und dem Lammträger ein Mann zu sehen, der eine Wassermelonenscheibe isst. Diese findet sich oft im Werk des spanischen Jahrhundertkünstlers: als Symbol für die mediterrane Tradition, den Sommer, die Hitze und Sinnlichkeit (€ 250.000/350.000).
Unter dem blauen Himmel der Côte d’Azur entstand um 1925/30 Raoul Dufys Promenade des Anglais à Nice. Die Leichtigkeit und Farbfrische der Strandpromenade mit herrschaftlichen Villen und Palmen am nahegelegenen Strand bezaubern den Betrachter ( € 100.000/150.000). Ein weiterer Franzose im Sommerangebot ist Maurice de Vlaminck. Erst mit 24 Jahren, im Sommer 1900, entschloss er sich, Maler zu werden, nachdem er zuvor als Radrennfahrer, Mechaniker und Musiker gearbeitet hatte. La Maison de l’Etang von 1910 gilt als ein charakteristisches Werk seiner ersten Schaffensphase € 80.000/100.000).
Der baskische Künstler Eduardo Chillida ist seit den 1970er Jahren für seine Skulpturen aus Schamotte-Ton bekannt. Entsprechend hat er diese "Lurra" (baskisch für Erde) genannt. Lurra G-12 fertigte er mit seinen typischen, die Oberfläche aufbrechenden Einschnitten 1984 an (€ 150.000/200.000). Neben Dadamaino (siehe oben) ist in Auktion 297 auch die männliche Seite Italiens präsent: Alighiero Boetti gilt als bedeutendster Vertreter der italienischen Arte Povera. Legendär sind seine Wortstickereien. In seiner zweiten Heimat Afghanistan setzten Stickerinnen diese um, wobei sie die Farben selbst auswählten. Pisciarsi in bocca (1976) ist eine seltene frühe Arbeit (€ 25.000/35.000).
Vom italienischen Avantgardekünstler Lucio Fontana kommt die Gouache Ohne Titel (Concetto spaziale) (1964/65) zum Aufruf (€ 15.000/20.000). Aus dem Süden der Schweiz stammt der für seine extrem langen, schlanken Figuren bekannte Bildhauer Alberto Giacometti. Hier ist er mit der Bleistiftzeichnung Portrait de James Lord (1954/1960) vertreten (€ 65.000/85.000).
Zurück im kühlen Norden erwarten uns in der Sommerofferte vier Klassiker der Moderne: Während die Allee im Tiergarten mit Spaziergängern, einer Droschke und einer Straßenbahn (1925–27) entstand, war Max Liebermann fast 80 Jahre alt. Jetzt "begnügte" er sich mit Berliner Sujets, doch seine malerische Meisterschaft im Spiel mit dem Licht ist nach wie vor unverkennbar (€ 250.000/350.000).
Von der Stadt (München) aufs "Blaue Land" zog es indes 1902 Wassily Kandinsky. Im Sommer entstand Kochel – Gebirgslandschaft mit Tannen (€ 200.000/300.000). Von Kandinsky angeregt wurde Serge Poliakoff, als er den Begründer der Blauen Reiter in Paris kennenlernte. Von nun an setzte er zunehmend die reine Farbe ein. Bleu vert (1962) gehört zu diesen Kompositionen, die auf den Betrachter durchaus meditativ wirken (€ 120.000/150.000).
Eine meditative Ruhe strahlen ebenso Henry Moores Two seated figures against wall (1960) aus. Die Kombination aus Figuren mit einem architektonischen Element ist für diese Spätphase in seinem Werk typisch. Er sieht darin eine eigenständige Raumwirkung und bessere Präsenz (€ 120.000/150.000).
Vier große Namen birgt auch die Offerte mit Gegenwartskunst aus heimischen Gestaden. Hartfaser ist das Material, welches das Werk Imi Knoebels prägt. In seiner frühen Phase in den 1960er Jahren verarbeitete er es in Werken zwischen Malerei und Objekt. Das vorliegende Hartfaserbild mit phosphoreszierendem Lack Ohne Titel (1984) erinnert an ein monochromes Tafelbild (€ 100.000/150.000. Gerhard Richters Werke zählen zu den teuersten eines lebenden Künstlers. € 70.000/90.000 ist der Schätzpreis für das Ölgemälde Ohne Titel, (19)89, ein Experiment aus Grau und Weiß. "Es sind die Prozesse ( ), die mich interessieren", betonte Sigmar Polke immer wieder. Dennoch ist seine Farbprobe, (19)86, alles andere als "nur" ein experimenteller Versuch, sondern vielmehr eines der "Kleinode", wie Erhard Klein die Werke aus dieser Gruppe nennt (€ 50.000/70.000. Titelgebendes Ursprungswerk für Georg Baselitz’ Ein Grüner (Remix) (2008) ist wohl Ein Grüner zerrissen von 1967, ein sogenanntes Frakturbild, heute in der Sammlung der Staatsgalerie Stuttgart. In seiner Remix-Phase griff Baselitz sein Frühwerk hinterfragend auf (€ 30.000/40.000.
Karl & Faber Kunstauktionen GmbH
Auktionsdaten
TitelAlte Meister & Kunst des 19. Jahrhundertsab 11 Uhr: Lose 1-150ab 14 Uhr: Lose 151-217ab 15 Uhr: Lose 220-343Datum16.06.2020, 11:00 Uhr
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