Mit der Ausstellung „Faszination Japan!“ öffnet sich die Kunstvilla ab 25. Oktober 2019 dem Thema des kulturellen Austauschs mit dem ostasiati- schen Inselstaat und stellt die Kunst in und aus Nürnberg in eine globale Perspektive.Mitte des 19. Jahrhunderts erfolgte die Öffnung Japans, welches lange nahezu abgeschottet vom Westen eine bis dahin unbekannte Ästhetik entwi- ckelt hatte. Seitdem inspiriert Japan europäische Künstlerinnen und Künstler. Japanische Kunst strebt keine realistische Darstellung der Welt an, sondern gibt Farbe, Linie und Komposition einen Eigenwert. Der Japonismus bedeutete daher ein revolutionär neues Sehen, sodass der französische Schriftstel- ler Edmond de Goncourt bereits 1884 feststellen konnte: „Ich möchte be- haupten, er bringt einen neuen Farbensinn, neue dekorative Gestaltung und sogar poetische Phantasie in das Kunstwerk, wie sie noch nie selbst in den vollendeten Schöpfungen des Mittelalters oder der Renaissance existierten.“ Als Formfaktor der Moderne wirkte der frühe Japonismus auf Hoch- und All- tagskultur, auf Kunst, Architektur und Design gleichermaßen.
Bis heute ist die Faszination für Japan ungebrochen, was sich mit Beginn des 20. Jahrhunderts auch in der Nürnberger Kunst feststellen lässt. Hierbei sind unterschiedliche Phasen der Aneignung zu unterscheiden. Beschränkte sich zu Beginn die Inspiration auf das ostasiatische Kunstschaffen längst vergangener Zeiten, begann in den 1970er-Jahren – verstärkt durch zuneh- mende Aufenthalte in dem Inselstaat – das Interesse an der zeitgenössi- schen Kunst in Japan zu wachsen.
Die Ausstellung „Faszination Japan!“ zeigt rund 50 Werke von zwölf zeitge- nössischen Künstlerinnen und Künstlern. Ergänzt wird die Präsentation um ausgewählte Werke von Sammlungskünstlerinnen und –künstlern. Die Ausstellung schlägt damit den Bogen vom motivischen Japonismus der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts bis zur Gegenwartskunst.
Zu den beteiligten Künstlerinnen und Künstlern gehören Udo Kaller (geb. Gleiwitz 1943), Hubertus Hess (geb. Coburg 1953) und Hjalmar Leander Weiss (geb. Würzburg 1958), die sich für ihre Werke an historischen japani- schen Holzschnitten inspirieren ließen. Fred Ziegler (geb. Nürnberg 1953) re- zipiert die symmetrische Grafik japanischer Familienwappen, die er in groß- formatigen Siebdrucken auf den für ihn charakteristischen kadmiumgelben Grund platziert. Bei der Foto- und Installationskünstlerin Margarete Schrüfer (geb. Bayreuth 1969) beruhen die meisten Arbeiten auf der Kunst des Pa- pierfaltens, japanisch „Origami“. Der Tradition des „Ikebana“, des japani- schen Blumenarrangements, stehen die Gemälde von Christian Faul (geb. Erlangen 1967) nahe. Eine wichtige Fragestellung betrifft den Umgang mit der Balance sowohl in künstlerischer als auch in persönlicher Hinsicht. Gün- ter Paule (geb. Nürnberg 1953) hat sich in seiner Serie der „Schwarzen Son- nen“ auf eine formal wie meditativ gedachte Suche nach einer Mitte bege- ben. Um formale Reduzierung und zeitlose Schönheit geht es Hans Karl Kandel (geb. Schwabach 1946) wie Inge Gutbrod (geb. Nürnberg 1963.) Junge Künstler wie Benjamin Zuber (geb. Bamberg 1982) nähern sich dem Phänomen des Japonismus hingegen vermehrt über Stereotype.
Einen Höhepunkt stellt die eigens für die Ausstellung entstandene Wandar- beit „Hommage an Giro Naïto“ (2018) von Bernd Klötzer (geb. Nürnberg 1941) dar. Der Titel bezieht sich auf den japanischen Bildhauer und Galeris- ten Giro Naïto (geb. Nara/Japan 1951). Seine Familie betreibt in Japan sehr beliebte, den „einarmigen Banditen“ ähnliche Pachinko-Automaten. Im über- tragenen Sinne verkörpert die Hommage mit ihren beiden farbig gefassten Stahl-Ellipsen Anziehung und Abstoßung, Zufall und Berechnung zugleich und spielt damit auf das Glücksspiel ebenso an wie auf Formen der künstleri- schen Aneignung zwischen Inspiration, Aneignung und Überarbeitung.
Den ausgestellten Künstlerinnen und Künstlern ist gemeinsam, dass sie die japanische Ästhetik und die zugrunde liegende Philosophie neu und individu- ell interpretieren. Ihre Rezeption umfasst Jahrhunderte japanischer Kunstge- schichte. Ihre Aneignung ist keine Nachahmung oder Kopie. Vielmehr bietet der zur Verfügung stehende Fundus jeder einzelnen Künstlerin, jedem ein- zelnen Künstler Ansatzpunkte für die Weiterentwicklung des eigenen Schaffens.