Fern der italienischen Nachkriegsavantgarde im Norden des Landes schafft der Neapoli-taner Salvatore Emblema ein eigenständiges und archaisch anmutendes Werk, das sich keinem Stil zuordnen lässt und doch klare Bezüge zu den Kunstströmungen seiner Zeit aufweist.Nach Abbruch seines Kunststudiums an der Accademia di Belle Arti di Napoli und Reisen innerhalb Europas lebt Emblema Anfang der 1950er-Jahre in Rom. Dort assistiert er an Filmsets der Cinecittà und kann 1954 erstmals eine Einzelausstellung realisieren. In die-sen Jahren macht Emblema auch Bekanntschaft mit Jean Dubuffet, der unter anderem mit Erde und Kies Bilder fertigt. Für Emblema, der die bisher letzte grosse Eruption des Vesuv erlebte hatte, muss die Verwendung von Naturmaterialien eine Offenbarung gewe-sen sein. 1944 war Terzigno von Vulkanasche eingedeckt worden, weite Teile der Ge-meinde wurden zerstört. Diese existenzielle Erfahrung führte Emblema zum einen die Ver-bindung von Landschaft und Identität vor Augen und zum anderen die geologischen Ge-gebenheiten seiner nächsten Umgebung. Sie wird später prägend für die Materialwahl in seiner Malerei.
Die retrospektiv angelegte Ausstellung, die in enger Zusammenarbeit mit dem Archivio Salvatore Emblema in Neapel entstanden ist, beginnt im 4. Stock neben Fritz GlarnersRockefeller Dining Room (1964/65). Die zwei frühesten Werke Emblemas, beide von 1959, weisen bereits zentrale Merkmale seines gesamten späteren Werks auf. Anfänglich malt er aus Geldnot auf Jute, doch schon bald fasziniert ihn die ungleichmässige, durchschei-nende Struktur des Materials. Dieses bemalt er nicht mit chemischen Farben, sondern mit eigens zusammengestellten Erdpigmenten aus vulkanischer Asche, versteinerter Lava und oxidierten Metallen.
1957 hatte sich Emblema die Möglichkeit geboten, für ein Jahr nach NY zu gehen. Die dor-tige Begegnung mit Mark Rothko und dessen Color Field Paintings sollte sein Schaffen in den Folgejahren ebenso prägen wie der Besuch des Metropolitan Museum, wo ihn die Leuchtkraft römischer Fresken überwältigt hatte. Emblema berichtet später, erst aus der Ferne die Qualitäten und Möglichkeiten seiner Herkunft erkannt zu haben. Der Technik der Pompejaner, gemahlene Erde mit einem transparenten organischen Bindemittel zu vermengen, wird sich Emblema nach seiner Rückkehr nach Terzigno bedienen. Seiner Herkunft geht er wortwörtlich auf den Grund, indem er auch unbehandelte Lavasteine auf grossformatigen Tafeln anbringt.
Die Bildöffnung ist in der italienischen Nachkriegskunst ein häufig zu beobachtendes Phä-nomen, bei Lucio Fontana etwa und seinen Taglioder bei Agostino Bonalumi mit reliefarti-gen Bildoberflächen. 1968/69 erarbeitet Emblema eine Werkgruppe, die seinen Weg hin zur Überwindung der Bildgrenze einleitet. In diesen vergleichsweise kleinformatigen Bil-dern, die ungerahmt auf einem Keilrahmen aufgezogen sind, werden die Grenzen zumeist einfarbig und geometrisch so stark betont, dass die Limitierung der Leinwand zu einem wesentlichen Bildelement wird. Dabei nutzt er die grob gewobene Struktur der Juteober-fläche, die mit ihrer leichten Transparenz den Keilrahmen durchscheinen lässt.Der Kunsthistoriker Giulio Carlo Argan machte Emblema auf denunerforschten Raum hin-ter dem Bild aufmerksam und animierte ihn, diesen zu ergründen. Ende 1969 berichtet Emblema, das Ei des Kolumbus gefunden zu haben, indem er dem Jutestoff einzelne Web-fäden entzogen habe. Mit dieser subtraktiven Manipulation, die denBlick durch die Lein-wand hindurch auf die Wand ermöglicht, realisiert Emblema eine seiner wichtigsten Werk-gruppen, die de-tessute. Hatte die Materialität der Jute anfänglich aus Not als Bildträger gedient, erweist sie sich nun als ein Mittel, um Grenzen auszuloten und die Binnenstruktur der Bilder zu gestalten. Dieser subtile Kunstgriff und die Überlistung der Grenzen, zusam-mengefasst in dem Begriff Sub-limine, ist zentral für Emblemas Werk und titelgebend für die Ausstellung. Fortan wird er die drei Komponenten Licht, Raum und Transparenz in eine Beziehung setzen und analysieren. In den 1970er-Jahren vertieft Emblema die Arbeit an den de-tessuteund greift parallel dazu mit Installationen und dreidimensionalen Struktu-ren weiter in den Raum ein. In der Zürcher Ausstellung werden diese Werke im 3. Stock präsentiert.
Die Porte(1974), die in verschiedenen Anordnungen und einer variierenden Anzahl von Elementen im Raum platziert werden können, bestehen aus denselben Materialien wie die Bilder: Juteleinwand, eingefärbter Erde und Holz. Exemplarisch erweitern sie die Diskus-sion über Grenzen und Übergänge. Ab wann ist ein Bild eine Skulptur und wie verhält sich der Raum dazu? Wie werden Licht und Transparenz verhandelt, wenn gemäss Emblemajede Wand zur Landschaft wird, sobald Licht darauf fällt?Werktitel wie Ricerca sul paesaggio(1972–1976) oder Altro spazio(1972) betonenEmblemas Interesse am Gelände. Für die Gitterstrukturen, die auch im Aussenrauminstal-liert werden können und mit einer intensiven Beobachtung der Umgebung einhergehen, verwendet Emblema die Farben Blau und Rot, die Licht besonders gut absorbieren, wie auch Weiss, das sich darin scheinbar auflöst. Dadurch wird die Landschaft EmblemasWerk eingeschrieben. Dennoch steht sie nicht im Mittelpunkt seines Schaffens, sondern dient durchgehend der Erforschung der Transparenz und der damit einhergehenden räum-lichen Qualitäten.
Die jüngsten Werke in der Ausstellung findet man im 4. Stock. 2004 verhandelt Emblema erneut das Thema der Bildöffnung und der Leinwandmanipulation: Diesmal bringt er durch das Verknoten des Stoffes Bewegung ins Bild.
Di / Do–So 11–17 UhrMi 11–20 UhrMo geschlossenRegulärer Eintritt: 16 CHFStudierende, Lernende, RentnerInnen, IV-BezügerInnen: 12 CHFBis 18 Jahre: Eintritt frei
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