Die Sammlung Emil Bührle, seit Herbst 2021 Dauerleihgabe im Kunsthaus Zürich, wird von einer kontroversen Debatte begleitet. Es geht dabei umProvenienzforschung, um ehemalige «Raubkunst» und «NS-verfolgungsbedingtentzogenes Kulturgut», um die Beziehung zwischen Emil Georg Bührle und der Zürcher Kunstgesellschaft sowie um die Position der Schweiz im Zweiten Weltkrieg. Das Kunsthaus repräsentiert wie kein anderer Ort den Gegenstand der Debatte.
GESELLSCHAFTLICHE ROLLE DES KUNSTHAUS ZÜRICH«Wir setzen uns sehr konkret mit unserer gesellschaftlichen Rolle als Museum auseinander», so Ann Demeester, Direktorin Kunsthaus Zürich. «Ich denke, insbesondere in anspruchsvollen Zeiten können wir Menschen viel geben, sie zum Nachdenken anregen und Positives vermitteln. Zugleich wollen wir den Diskurs fördern und auch kontroverse Zusammenhänge nicht vermeiden. Aus diesem Grund halten wir es für wichtig, gemeinsam einen neuen Umgang mit der Sammlung Bührle zu entwickeln, in dem kritisches Hinterfragen Neugier weckt und sich Geschichte mit dem Heute verbindet.»
POLYPHONIE UND DIALOG ALS ZIEL DER NEUPRÄSENTATIONNach der Erstpräsentation, welche die Stiftung Sammlung E. G. Bührle als Eigentümerin kuratiert hatte, um einen Gesamtüberblick über die Sammlung zu vermitteln, kann das Kunsthaus Zürich die kuratorische Leitung der privaten Dauerleihgabe selbständig übernehmen. Umgehend hat die neue Kunsthaus-Leitung diese Möglichkeit genutzt und eine neue Ausstellung mit dem Ziel initiiert, die Sammlung Emil Bührle in einen grösseren gesellschaftspolitischen Zusammenhang zu stellen.
VIEL MEHR ALS EINE AUSSTELLUNG, INTERDISZIPLINÄRE ZUSAMMENARBEITNeben Kunst, Kontext und konkreten Schicksalen von ehemaligen Eigentümerinnen und Eigentümern, die in der Ausstellung portraitiert werden, soll Raum geschaffen werden für Reflektion und einen aktiven Dialog mit dem Publikum. Entsprechend soll die Ausstellung aufzeigen, inwieweit geschichtliche Zusammenhänge und Kunstgeschichte grundsätzlich miteinander verwobensind. In diesem Zusammenhang soll die aktuell in der Schweiz geführte Debatte um Provenienzforschung und faire und gerechte Lösungen für den Umgang mit NS-verfolgungsbedingt entzogenem Kulturgut thematisiert werden sowie auch die jahrzehntelange Verflechtung der Zürcher Kunstgesellschaft (dem Trägerverein des Kunsthaus Zürich) mit Emil Bühle.
WISSENSCHAFTLICHER BEIRAT UND GEMISCHTES TEAMEntsprechend interdisziplinär ist das verantwortliche Team mit Direktorin Ann Demeester und Sammlungskonservator Dr. Philippe Büttner an der Spitzezusammengesetzt. Kunsthistorikerinnen wie Franziska Lentzsch (Projektleiterin Umsetzung), Ioana Jimborean (Verantwortliche Resonanzraum und Szenografie), der Provenienzforscher Joachim Sieber und die Leiterin der Kunstvermittlung Dr. Sibyl Kraft sind beteiligt. Darüber hinaus begleitet ein polyphon besetzter externer Beirat mit Expertinnen und Experten diverser Disziplinen das Kunsthaus Zürich kritisch in den Vorbereitungen. Zu dem wissenschaftlichen Gremium gehören Dr. Nikola Doll, Leiterin Provenienzforschung Kunstmuseum Bern, Muriel Gerstner, Bühnenbildnerin sowie Vorstandsmitglied des Vereins Omanut – Forum für jüdische Kunst und Kultur, Prof. Sarah Kenderdine, Leitung Labor für Experimentelle Museologie sowie EPFL-Pavillons an der Universität Lausanne, Prof. Dr. Matthieu Leimgruber, Ausserordentlicher Professor für Geschichte der Neuzeit, Universität Zürich, Ass. Prof. Dr. Stefanie Mahrer, SNF-PRIMA-Professorin für neuere europäische, schweizerische und jüdische Geschichte,Thomas Meyer, Schriftsteller, sowie Prof. Angeli Sachs, ehemalige Leiterin Curatorial Studies Zürcher Hochschule der Künste. Neben den hier genannten setzt das Kunsthaus Gespräche mit weiteren Persönlichkeiten und Gruppen fort, um unterschiedliche Auffassungen über das Ausstellungskonzept zu erörtern. Für die Ausstellungsszenografie zeichnet die Agentur «Stillhart Konzept» verantwortlich.
AUSTAUSCH UND PUBLIKATIONDie Kommunikation mit dem Publikum soll innerhalb der Ausstellung auf unterschiedlichen Ebenen erfolgen: für Expertinnen und Experten ebenso anregend und verständlich wie für Laien. Neben Führungen ist vom 29. Februar bis 1. März 2024 eine Konferenz geplant in Kooperation mit dem Museum Rietberg und dem Schweizerischen Nationalmuseum zur Frage, wie Museen komplexe und konfliktbeladene Geschichte effektiv und sinnvoll präsentieren und vermitteln sollen. Zur Eröffnung der neuen Ausstellung der Sammlung Emil Bührle erscheint eine Publikation, welche die Herkunftsgeschichte von denjenigen Werken diskutiert, die im Spannungsfeld von «Kunst, Kontext, Krieg und Konflikt» besonders relevant erscheinen. Die Publikation fokussiert insbesondere auf die Schicksale jener Menschen, denen die Gemälde gehört hatten, bevor Emil Bührle diese erwarb.
WEGEN UMBAU TEMPORÄR GESCHLOSSENWährend des Umbaus ist die Sammlung Emil Bührle im zweiten Obergeschoss des Chipperfield-Baus vom 5. September bis zum 3. November geschlossen. Das Angebot von öffentlichen und privaten Führungen kann vorher und nach der Eröffnung der Neupräsentation genutzt werden.
Di, Fr–So 10–18 UhrMi, Do 10–20 UhrMo geschlossen
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