Ausgehend von der ausgeprägten Shakespeare-Begeisterung im Deutschland des 19. Jahrhunderts beleuchtet die neue Sonderausstellung im Museum Georg Schäfer die künstlerische Annäherung Adolph von Menzels (1815–1905) an die Werke des wohl bekanntesten englischsprachigen Dichters und Dramatikers überhaupt.Die von Shakespeare (1564–1616) inspirierten Arbeiten des 1898 geadelten Malers, Zeichners und Illustrators sind eine großartige Entdeckung. Sie verteilen sich über beinahe ein halbes Jahrhundert und wurden sowohl in Deutschland als auch im Ausland rezipiert. Jede von ihnen ist einzigartig, jede geprägt von einem anderen Schaffenszusammenhang. So entwirft Menzel mit nur 21 Jahren eine arabeske Rahmenleiste für eine englische und eine deutsche Shakespeare-Gesamtausgabe. Jahre später wird der mittlerweile berühmte Menzel wiederum gebeten, für eine Buchpublikation ein Werk zu Henry VIII. zu liefern: 1872 erscheint Menzels König Heinrich VIII. tanzt mit Anna Boleyn in der weit verbreiteten Shakespeare-Gallerie der Grote’schen Verlagsbuchhandlung in Berlin. Mit meisterhafter Hand entwirft Menzel hier ein lebendiges Bild des Schlüsselmoments aus der 4. Szene des 1. Aktes.
Diesen Arbeiten kam sicherlich Menzels eigene Begeisterung für das Theater zugute. Als eifriger Besucher schärfte er schon früh seinen Blick für zentrale Szenen aus den Dramen Shakespeares. Dies bezeugen vor allem seine Skizzenbücher zwischen 1836 und 1838, in denen eine Reihe von Grafitzeichnungen zu Aufführungen von König Lear, Richard II., Der Kaufmann von Venedig und Hamlet zu finden ist. Diese Aufführungen besuchte der Künstler im Berliner Schauspielhaus und benutzte seine Skizzen auch für spätere Werke, wie etwa für die Radierung von Hamlet und Polonius (um 1840).
Aber auch für Shakespeares Antlitz interessierte sich Menzel. Er kopierte zunächst die bekannten Porträts aus der Gesamtausgabe der Dramen Shakespeares, der sogenannten First Folio (1623), deren zweite Auflage (1632) der Künstler benutzte. Darüber hinaus zeichnete er die Grabbüste aus der Holy Trinity Church in Stratford-upon-Avon ab. Da Menzel selbst nie in England war, griff er auf Buchreproduktionen als Vorlage zurück. Nach einer weiteren Tuschezeichnung folgte schließlich 1850–52 Menzels individuelle künstlerische Interpretation des Dichters – gekleidet in einem bürgerlichen Pelzmantel – im Hintergrund das Geburtshaus in Stratford und neben ihm der geliebte Maulbeerbaum, auf den in Shakespeares Dramen oft Bezug genommen wird. Auch das ist ein Beispiel von Menzels hervorragenden Shakespeare-Kenntnissen, die er mit seinen Freunden, etwa Theodor Fontane und Paul Heyse, teilte.
Die Ausstellung beleuchtet das erste Mal die gesamte künstlerische Vielfalt von Menzels ideenreicher Auseinandersetzung mit Shakespeare und dessen Werken. Die meisten Leihgaben aus Museen und Bibliotheken in Bamberg, Berlin, Meiningen und Weimar, aber auch zahlreiche Objekte aus dem Bestand des Museum Georg Schäfer werden erstmals überhaupt in Deutschland gezeigt. Zu sehen sind Arbeiten des schweizerisch-englischen Malers und Publizisten Johann Heinrich Füssli (1741–1825), des Malers und Dekorationskünstlers Hans Makart (1840–1884) sowie Entwürfe zum Shakespeare- Denkmal in Weimar.
Abgerundet wird die Präsentation durch das Beispiel des Meininger Hoftheaters, das einen weiteren fulminanten Höhepunkt in der Shakespeare-Begeisterung des 19. Jahrhunderts bildet. Dies gilt insbesondere für die Arbeiten des „Theaterherzogs“ Georg II. von Sachsen-Meiningen (1826–1914), der die deutsche Schauspielkunst reformierte. Mit eigenen Figurinen und Bühnenbildern wurde er auch als Entwerfer bekannt. Sein Hoftheater schickte er auf ausgedehnte Tourneen, unter anderem nach Berlin und Odessa.
Ein Seitenblick auf die zeitgenössische Shakespeare-Rezeption in Deutschland schließt sich an.
Zur Ausstellung erscheint ein reich bebildertes Begleitheft: „Du kannst das Werk nur durch den Maler sehn“ – Adolph von Menzel und die Shakespeare-Euphorie im 19. Jahrhundert“.
Kuratorin der Ausstellung: Prof. Dr. Christa Jansohn, Bamberg