Nach über 40 Jahren realisiert der Künstler Thomas Schütte seine drei Architekturmodelle aus der legendären Westkunst-Ausstellung (1981) zum ersten Mal in realer Größe. De Pont zeigt in diesem Herbst in der Haupthalle der ehemaligen Wollspinnerei des Museums die Modelle Schiff, Bühne und Kiste dieses zentralen Künstlers der Sammlung und lädt die Besucher ein, Treppen zu besteigen, auf der Bühne zu stehen oder sich zurückzusiehen. In den vergangenen vier Jahrzehnten hat Schütte eines der prominentesten und zugleich schwer fassbaren Oeuvres der Gegenwartskunst geschaffen. Die Westkunst-Modelle stehen am Anfang dieses Werks und auch dieser Ausstellung, die einen Überblick über seine Architekturmodelle seit den 1980er Jahren bietet. Die Architekturmodelle bilden ein Bindeglied in Schüttes hyperdiversem Werk: Sie vereinen in konzentrierter Form die vielfältigen Ausdrucksformen und Themen, die seine Praxis bestimmen.„Westkunst. Zeitgenössische Kunst seit 1939" war eine vielbeachtete Übersichtsausstellung zur westlichen Moderne in Köln im Jahr 1981. Auf die Einladung des Kurators Kasper König an den damals jungen Schütte, sich daran zu beteiligen, schuf dieser drei Entwürfe. Die ambitionierten Arbeiten jedoch konnten mangels Ausstellungsbudget nicht ausgeführt werden, woraufhin Schütte sie als kleine Modelle auf Tischen präsentierte. Unerwartet wurde damit der Grundstein für jahrzehntelange Experimente mit dem Architekturmodell gelegt. Auf diese Art fand Schütte den Ausweg aus der Konzeptkunst: Ein Modell ist einerseits ein Vorschlag für etwas, das (noch) nicht existiert, und gleichzeitig eine greifbare Skulptur auf einem Sockel.
Neben den drei beeindruckenden großformatigen Westkunstmodellen bietet die Ausstellung einen umfassenden Überblick über Schüttes Architekturmodelle, mit wesentlichen Werken wie Ferienhaus für Terroristen, One Man House und Mein Grab in den angrenzenden Kabinetten und Galerien. Obwohl einige seiner Modelle inzwischen tatsächlich als Gebäude ausgeführt wurden (wie sein eigenes Museum, die Skulpturenhalle in Neuss, nahe Düsseldorf), strebte der Künstler nie eine Karriere als Architekt an. Für Schütte sind die Modelle eine Metapher für seinen eigenen - ironischen und nicht immer heiteren - Blick auf die Gesellschaft und die Kunstwelt. So sehen wir ein Grabmal in Form eines Hauses, unzählige Bunker, Hütten, Keller und ein Einpersonen-Haus, in das man sich ungestört zurückziehen kann.
Schüttes Werk ist geprägt von einer unendlichen Freiheit in der Recherche und Neugierde auf Form, Material und Farbe. Nach mehr als 40 Jahren ist das Werk des Künstlers immer noch aktuell und regen seine Modelle die Fantasie an. Beim Gang durch die Ausstellung verwandelt sich der Besucher plötzlich von einem Riesen im Puppenhaus zum Nutzer eines Gebäudes. Dadurch, dass Schiff, Bühne und Kiste nun ausgeführt werden, erhält die Materialität seine Daseinsberechtigung zurück und offeriert Schütte ein einzigartiges Erlebnis, in welchem er den Blick des Besuchers auf die Welt nach seinem Willen prägt.
PublikationZur Ausstellung erscheint eine Publikation zu Schüttes Architekturmodellen mit Texten von Dieter Schwarz.Thomas Schütte1954, Oldenburg (D)Lebt und arbeitet in Düsseldorf (D)
Thomas Schütte studierte von 1973 bis 1981 an der Kunstakademie Düsseldorf, unter anderem bei Gerhard Richter (1932). Im Jahr 1994 erwarb das Museum De Pont erstmals eine Arbeit aus seiner Hand. Seitdem gehören Ohne Titel (United Enemies) von 1994, Großer Respekt (1994), Große Geister (Nr. 4, 5 von 1997 und Nr. 14 von 1998) sowie Steel Woman III (1998) zu den zentralen Kunstwerken der hauseigenen Sammlung. 1998 präsentierte De Pont eine Ausstellung von Schüttes Skulpturen, fotografischen Arbeiten und Zeichnungen, 2006 folgte eine Ausstellung seiner Arbeiten auf Papier. Vor kurzem erwarb das Museum die Malerei auf Papier Melonen (1986) aus der Serie Obst und Gemüse.
Einzelausstellungen (Auswahl)Skulpturen, Skulpturenhalle, Neuss (D) (2023), Thomas Schütte, Frith Street Gallery, Londen (GB) (2022), Thomas Schütte, Kunsthaus Bregenz, Bregenz (AT) (2019), Thomas Schütte, Moderna Museet, Stockholm (SE) (2016), Thomas Schütte, Fondation Beyeler, Riehen/Basel (CH), Arbeiten auf Papier, De Pont Museum, Tilburg (NL) (2006), Kreuzzug, K21 Kunstsammlung NRW, Düsseldorf (D) (2004), Große Geister, Museum Folkwang Essen, Essen (D) (2002), New Works, Wako Works of Art, Tokyo (JP) (1999), Thomas Schütte, De Pont museum, Tilburg (NL) (1998), Thomas Schütte, Musée d'Art Moderne de la Ville de Paris, Parijs (F) (1990), Thomas Schütte - Mohr's Life & The Laundry, De Appel, Amsterdam (NL) (1989), Big Buildings, Marian Goodman Gallery, New York (VS) (1989), Pläne I - XXX, Bei Konrad Fischer, Düsseldorf (D) (1981)
Gruppenausstellungen (Auswahl)Kippenberger/Krewer/Schütte, Bourse de Commerce - Pinault Collection, Parijs (F) (2021), Die Bildhauer. Kunstakademie Düsseldorf, 1945 bis heute, Kunstsammlung Nordrhein-Westfalen, Düsseldorf (D) (2013), Print/Out, Museum of Modern Art, New York (VS), A Few Free Years, Hamburger Bahnhof, Berlin (D) (2015), Sechzig Jahre. Sechzig Werke. Kunst aus der Bundesrepublik Deutschland von '49 bis '09, Martin-Gropius-Bau, Berlin (D) (2009), Big Bang – Déstruction et Création dans l'Art du 20e Siècle, Musée National d'Art Moderne – Centre Georges Pompidou, Paris (F) (2005), Painting at the Edge of the World, Walker Art Center, Minneapolis (VS) (2001), Documenta X (1997), Kassel (D), Possible Worlds: Sculpture from Europe, Serpentine Gallery, Londen (GB) (1990), Documenta VIII (1987), Kassel (D), Westkunst, Rheinhallen Messegelände, Köln (D) (1981)
Über das MuseumDe Pont ist eines der führenden Museen für zeitgenössische Kunst in den Niederlanden. Es befindet sich in Tilburg, der siebtgrößten Stadt der Niederlande, und ist vom Ruhrgebiet aus bequem zu erreichen. De Pont ist in einer ehemaligen Wollspinnerei untergebracht, mit dem charakteristischen Sägezahndach, einer großen, hellen Halle, intimen Kabinetten und einem neuen Flügel. Der Besucher wird draußen von Anish Kapoors faszinierendem Sky Mirrorbegrüßt und findet im Museum eine hochkarätige Sammlung aus Malerei, Skulptur, Fotografie und Videokunst - darunter deutsche Künstler wie Katharina Grosse, Wolfgang Laib, Sigmar Polke, Gerhard Richter, Thomas Schütte und Raphaela Vogel. Das Museum präsentiert Wechselausstellungen mit renommierten internationalen Künstlern der Gegenwart und bringt im Projektraum WOOL vielversprechende Talente ans Licht. Der einzigartige, üppige Innengarten, das Museumscafé sowie nicht zuletzt die ungewöhnliche Architektur machen ein Besuch des Museums De Pont zu einem kompletten Tagesausflug in die Niederlande. Tipp: Jeden Donnerstag ist das Museum zwischen 17 und 21 Uhr im Rahmen der Abendveranstaltung PUNCH. kostenlos zu besichtigen.
DE PONT Wilhelminapark 1 Tilburgdepont.nl