Die aktive Einbindung des Publikums und die Praxis des Zuhörens zeichnendas Werk von Liliana Moro (*1961 in Mailand) aus.DasKunstmuseum Liechtenstein widmet der Künstlerin eine grosse Einzelausstellung, die den Bogen von ihrem Frühwerk der späten1980er-Jahre bis hin zu ihrem aktuellen Schaffen spannt und eigens entstehende Arbeiten umfasst. Gleichzeitig untersucht die retrospektiv angelegte Ausstellung einen grundlegenden Werkaspekt von Liliana Moro: den Klang.Das Kunstmuseum Liechtenstein verfügt in seiner Sammlung über einen beachtlichen Bestand italienischer Kunst, die hauptsächlich der Arte Povera zuzuordnen ist. Liliana Moro hat ihre Ausbildung an der Kunstakademie Brera in Mailand bei Luciano Fabro absolviert –zu einer Zeit, als die Arte Povera in die Kunstschulen und Museumssammlungen Einzug hielt und ein Prozess allmählicher Historisierung begann. Mit dieser Ausstellung stellt das Kunstmuseum eine italienische Künstlerin der nachfolgenden Generation vor,deren Werk aus einer Geste radikaler Freiheit und Emanzipation von der damaligen Fragestellung heraus entstand.
Liliana Moros künstlerisches Schaffen hat von den Anfängen bis heute verschiedene Phasen durchlaufen und unterschiedliche Ausdrucksmittel wie Klang, gesprochenes und geschriebenes Wort, Skulptur, Performance, Zeichnung, Collage und Video erforscht. Mit ihren Arbeiten zielt sie darauf ab, die Wahrnehmungen und Emotionen der Betrachter:innen zu erfassen. Oft gehen ihre Werke von alltäglichen Gegenständen und Situationen aus und laden das Publikum ein, über das auf den ersten Blick Sichtbare hinauszugehen. Jede ihrer künstlerischen Gesten ist ein Akt, der von den Besucher:innen auch eine Handlung (wie zum Beispiel Betreten, Niederkauern, Zuhören) verlangt. Liliana Moros Praxis des kontinuierlichen Zuhörens regt die Betrachter:innen zu erhöhter Aufmerksamkeit anund lädt sie ein, sich sowohl physisch als auch intellektuell und emotional zu beteiligen. Das Zuhören wird so zu einer geteilten Erfahrung.
Liliana Moro wollte ursprünglich Szenografie studieren. Obwohl sie sich schliesslich für Malerei einschrieb, blieb ihre Leidenschaft für das Theater bestehen. Davon zeugt unter anderem ihre starke Affinität zu dem Dichter und Dramatiker Samuel Beckett, dessen Werk die Grundlage mehrerer ihrer Arbeiten bildet. Beckett befreite die Bühne von jeglichem Exzess und nutzte den Bühnenraum auch als skulpturales Element. Mit Beckett teilt Liliana Moro einen allumfassenden Blick auf den Raum und den Körper im Raum. So lauscht beispielsweise in Krapp's Last Tape(Samuel Beckett, 1958) ein älterer Mann der Aufzeichnung seiner eigenen Stimme. Das Zuhören als zentrale Erfahrung bei Beckett und als grundlegendes Element in Liliana Moros Werk ist auch der Ausgangspunkt einer neuen Arbeit in der Ausstellung.
Eine Produktion des Kunstmuseum Liechtenstein in Kooperation mit PAC Milano.Kuratiert von Letizia Ragaglia.
Die Ausstellung steht unter der Schirmherrschaft der italienischen Botschaft in Bern (CH).
Performance von Liliana Moro und Giovanna LuèSamstag, 18. November 2023, 17.30 UhrIm Rahmen der Eröffnung reinszeniert Liliana Moro gemeinsam mit Giovanna Luèdie 1997 mit Virgilio Sieni konzipierte Performance Studio per un probabile equilibrio in movimento.
Katalog zur AusstellungAnlässlich der Ausstellung erscheint eine umfassende Publikation(deutsch/englisch) mit Texten des Schauspiel-und Opernregisseurs Fabio Cherstich sowiedes Kunsthistorikers und Kurators Milovan Farronato. Darüber hinaus ist ein Interview vonLetizia Ragaglia mitLiliana Moro sowie eineReproduktion des handschriftlichen Manuskripts der Künstlerin mit ihren gesamten Klangarbeiten enthalten.
Weitere StationenDie Ausstellung wird ab 2024 im PAC Padiglione d'Arte Contemporanea, Milano und in der Magazzino Italian Art Foundation, Cold Spring, NY gezeigt.
KurzbiografieLiliana Moro (*1961 in Mailand) studierte Malerei an der Accademia di Brera in Mailand. Sie war Mitbegründerin des selbstverwalteten Ausstellungsraums «Spazio di Via Lazzaro Palazzi» und Herausgeberin der Zeitschrift «Tiracorrendo» (1989–1993).Ihre Arbeiten wurden unter anderem in der Fondazione Antonio Ratti in Como (2021), im ASSAB ONE in Mailand (2014), dem MAMC+ Musée d’art moderne et contemporain de Saint-Étienne Métropole (2009), dem M HKA –Museum ofContemporary Art Antwerp (2006), im Moderna Museet, Stockholm (1989) oder im MoMA PS1, NYC (1999) gezeigt.Liliana Moro hat Italien zweimal auf der Biennale di Venezia vertreten (1993 und 2019) und war Teilnehmerin der documenta IXin Kassel (1992).Sie lebt und arbeitet in Mailand.