Hermann Nitsch und die Freilandzirkel des Kurfürsten August von SachsenDie Schenkung Sammlung Hoffmann lässt zeitgenössische Werke mit den Objekten der unterschiedlichen Museen der Staatlichen Kunstsammlungen Dresden in einen Dialog treten, um für die heutigen wie die historischen Exponate neue Betrachtungsweisen und Bedeutungsebenen zu öffnen.Wie in anatomischen Studien sind in dem Werk des Künstlers Hermann Nitsch Muskelpartien und innere Organe zum Teil freigelegt und zeugen von der stillen Faszination für den menschlichen Körper. Für den Aktionskünstler war die Anatomie des Menschen ein Vorbild seiner „Architekturfantasien“. Bereits 1965 begann er Pläne für eine unterirdische Idealarchitektur seines Orgien-Mysterien-Theaters zu entwerfen.
In dem ausgestellten Werk bezieht sich Nitsch mit der Gruppierung von zwölf Körpern um eine zentrale Figur, auf Leonardo da Vincis Abendmahl, aber auch auf dessen schematisierte Darstellungen vom Aufbau des menschlichen Körpers. Der Renaissance-Künstler da Vinci setzte für seine Zeichnung des „homo ad circulum“ den Zirkel exakt im Nabel an und zeichnete so die idealisierten Proportionen seines Vitruvianischen Menschen, der zum anthropometrischen Maß der gebauten Welt wurde.
Auch Kurfürst August von Sachsen (1526–1586), der Gründer der Dresdner Kunstkammer, war ein sehr vielseitig interessierter Mensch der Renaissance. Er begeisterte sich besonders für hochwertige Handwerkszeuge und Arbeitsgeräte sowie für wissenschaftliche Instrumente. Etwa 300 in seiner Zeit gängige Gartengeräte ließ er für seine Sammlung zusammentragen, worunter zwei große hölzerne Zirkel zu den ungewöhnlichsten Stücken zählen. Doch der Kurfürst sammelte nicht nur, sondern war auch selbst handwerklich und schöpferisch tätig, worauf der Raumtitel „Der Kurfürst als artifex“ in der Ausstellung Weltsicht und Wissen um 1600 im Residenzschloss hinweist.