Frankfurt am Main, 15. Februar 2013. Die Sammlung eines Museums lebt und wächst durch gezielte Ankäufe und Schenkungen, die den vorhandenen Bestand stetig verändern und qualitativ entwickeln. Mit der Ausstellung „Give me five!“ gibt das Frankfurter Städel Museum vom 6. März bis 23. Juni 2013 einen eindrucksvollen Überblick über 100 zentrale Neuerwerbungen der Graphischen Sammlung aus den letzten Jahren. Der Bogen der in der Ausstellungshalle der Graphischen Sammlung versammelten Arbeiten spannt sich von Adam Elsheimer über Giovanni Domenico Tiepolo bis Louis Soutter, von Max Beckmann über Alfred Hrdlicka und Jim Dine bis David Hockney, Anish Kapoor und Antony Gormley. Die Graphische Sammlung des Städel Museums bewahrt insgesamt über 100.000 Zeichnungen und druckgrafische Werke vom Mittelalter bis zur Gegenwart. Mit großzügigen Geschenken und Stiftungen haben viele Freunde der Sammlung über Jahre zu diesem aufregenden und erfreulich fortschreitenden Ensemble beigetragen. In stets neuen Zusammenstellungen werden die fragilen Kunstwerke auf Papier den Besuchern in wechselnden Ausstellungen präsentiert.„Jede gelungene Erwerbung ist für uns ein ganz besonderer Anlass zur Freude! Der positive Ausdruck der ‚Give me five!‘-Geste ist darum zum optimalen Motto dieser Ausstellung geworden“, so die Kuratorin und Leiterin der Graphischen Sammlung ab 1750, Dr. Jutta Schütt.
„Die aktuelle Ausstellung der Graphischen Sammlung ist eine eindrucksvolle Demonstration der regen Sammeltätigkeit unseres Museums“, betont Städel-Direktor Max Hollein. „Dank des Städelschen Museums-Vereins e. V., mithilfe öffentlicher wie privater Stiftungen sowie durch Schenkungen von Privatpersonen, Künstlern und Händlern konnten in den letzten sieben Jahren viele Wünsche realisiert und zahlreiche Werke neu inventarisiert werden. Viele davon sind nun Teil der Ausstellung.“
Für die temporäre Präsentation wurde aus den käuflich erworbenen und geschenkten Werken auf Papier eine Auswahl von weit über 100 Positionen getroffen. Bei aller Heterogenität der Exponate ist keine additive Reihung gegeben, sondern es ließen sich interessante Gruppierungen und weiterführende Nachbarschaften entwickeln.
Eingangs ist Neuerworbenes mit bereits Vorhandenem in beispielhaften Paarungen zusammengeführt. Dort trifft die rätselhafte Bildwelt Goyas auf jene eines Siebdrucks von Hans Schabus, und die in ihrer intensiven Farbigkeit und künstlichen Zusammenstellung faszinierenden Tiefdrucke eines Mark Quinn von 2008 sind neben einem dreihundert Jahre älteren Stillleben aus den Niederlanden zu sehen. Dies kann ohne Worte zu Gedanken führen, die hier epochenübergreifend mit den besonderen Werten und Qualitäten der Sammlung arbeiten.
Einen Schwerpunkt innerhalb der Ausstellung bilden Neuzugänge zur amerikanischen Druckgrafik: Siebdrucke von Jackson Pollock, eine Lithografie von Robert Longo, ein Mezzotinto-„Starfield“ von Vija Celmins, großformatige Druckgrafiken von Robert Motherwell, Frank Stella oder John Baldessari. Bereits seit Jahrzehnten ermöglichen die Zuwendungen einer Stiftung den steten Ausbau dieses Sammlungsbereichs. So konnte auch die Folge der späten „Verzerrten Kuben“ von Sol LeWitt angekauft werden, fünf virtuos gedruckte Linolschnitte, die hier neben gänzlich anderen Beispielen im Umgang mit der gleichen Drucktechnik zu sehen sind: Philipp Hennevogls gewaltigem „Gerüst“, O. W. Himmels „Plattenlabels“, Wolfgang Mattheuers „Jahrhundertschritt“ neben seiner Druckplatte oder auch den dem Atelier des Linolschneiders „entrissenen“ Probedrucken der Zustände eines „Reduktionsschnitts“ – ein seltenes Ensemble, das für die Vermittlung und Anschauung im Museum besondere Bedeutung gewinnt.
Die Spannbreite der Sammlung im Bereich der neuerworbenen Druckgrafiken reicht von den „Varie Figure Gobbi“ von Jacques Callot und dem „Schlafenden Hund“ von Rembrandt bis zu den Farbräumen eines Anish Kapoor, vom Holzschnitt bis zum Siebdruck, sie zeigt die Fotografie und die Einbindung derselben in druckgrafische Arbeiten ebenso wie innovative technische Kombinationen. Ein Grenzfall zwischen gedrucktem und gezeichnetem Werk ist das mit der Nadel geschaffene „Empire Theatre“ des Briten James Brooks von 2010.
Die ausgestellten und neuerworbenen Zeichnungen umspannen einen Zeitraum vom 16. bis ins 21. Jahrhundert. Wir finden Federzeichnungen von Adam Elsheimer und Camille Corot, Kreidezeichnungen von Claude Lorrain wie von Rudolf Schlichter, mit dem Pinsel getuschte Werke von Henri Michaux und Antony Gormley, die kleinen Zeichnungen der späten Werkgruppe „Leitern“ von Karl Bohrmann und die prächtige „Pulcinella“-Zeichnung von Giovanni Domenico Tiepolo, die in deutschen Museen vergeblich ihresgleichen sucht. Die bereits 1939 erworbene Zeichnung „Das Innere einer Scheune“ von Adolf Menzel wurde 2011 durch die Stadt Frankfurt am Main restituiert und wieder angekauft, sodass sie dem Städel Museum weiterhin erhalten bleibt.
Den kritischen Impetus der 1960er- und 1970er-Jahre zeigen Zeichnungen des Berliner Realisten Peter Sorge und die irritierenden Selbstbildnisse von Eugen Schönebeck und Jürgen Klauke. Weitere Bildnisse sind von Max Beckmann oder Johannes Grützke zu entdecken, wobei der eine seit den 1950er-Jahren mit einem weltweit herausragenden Bestand an Druckgrafiken im Städel vertreten ist, Arbeiten des anderen bisher noch gar nicht in der Sammlung zu finden waren.
Die Sammlung des Städel Museums, die vom Mittelalter bis in die Gegenwart reicht, wächst seit Beginn ihres Bestehens im frühen 19. Jahrhundert. Jeder Neuzugang erfolgt vor dem Hintergrund des eigenen Sammlungsprofils, das ausgebaut und in die Zeitgenossenschaft fortgeführt wird. Zeichnungen wie Druckgrafiken bleiben – ob alt oder neu – aufgrund ihrer empfindlichen Beschaffenheit in allen musealen Kunstsammlungen immer nur vorübergehend ausgestellt. In einer eigenen Abteilung, der Graphischen Sammlung, werden sie konservatorisch bewahrt, erforscht und vermittelt. Unmittelbar zugänglich bleibt der Sammlungsbestand für das Museumspublikum zum einen durch thematisch wechselnde Ausstellungen. Zum anderen gibt es den sogenannten „Studiensaal“, wo jedem Besucher zu den regelmäßigen Öffnungszeiten (Mittwoch, Freitag 14–17 Uhr; Donnerstag 14–19 Uhr) die Möglichkeit gegeben ist, sich jede der etwa 100.000 Zeichnungen und Druckgrafiken des Bestandes persönlich vorlegen zu lassen.
Die letzte Vorstellung neuerworbener Zeichnungen und Druckgrafiken der Graphischen Sammlung im Städel wurde 2005 unter dem Titel „Wahlverwandtschaften. Neu in der Graphischen Sammlung“ gezeigt.