Ausgangspunkt der Einzelausstellung von Ursula Mayer sowie zugleich des ersten gemeinsamen Ausstellungsprojekts der Ursula Blickle Stiftung und des 21er Haus sind die Filme Gonda (2012) und Medea (2013) sowie eine 16mm-Installation, die sich auf Michael Snows Two Sides to Every Story von 1974 bezieht. Die Hauptdarsteller dieser Trilogie, das Transgender-Model Valentijn de Hingh und die Musikerin JD Samson, sind Ausdrucksträger unserer Zeit. Zentrale Thematik von Gonda ist der Objektivismus der russisch-amerikanischen Philosophin Ayn Rand (1905–1982), insbesondere deren Theaterstück Ideal von 1934, in dem die Hauptdarstellerin Kay Gonda sich Fragen nach Individualismus und persönlicher Freiheit stellen muss. Dieses Thema wird über die Einbindung von Collagen zu Margaret Thatcher vertieft, welche die Philosophie Ayn Rands in ihre Politik übertrug und so die heutige Realität mitprägte. Der Film Medea basiert auf der griechischen Mythologie der Medea und führt das Thema der persönlichen Freiheit durch die Gegenüberstellung des archaischen Universums und der rationalen, pragmatischen und kapitalistischen Welt weiter. Gonda und Medea, von Ursula Mayer als Kritik an einer globalisierten Konsumgesellschaft und ihrer Massenkultur angelegt, entziehen sich durch eine fragmentierte Erzählstruktur und eine eigenwillige Filmsprache dem leichten Konsum. Ihre Synthese finden die Filme in der für das 21er Haus produzierten 16mm-Doppelprojektion, in der beide Hauptdarsteller zusammenfinden und nach Michael Snows Prinzipien der Objekt- und Erlebnishaftigkeit ein perfektes, aber auch ergebnisoffenes Gleichgewicht bilden, in dem sich die Grenze von Wirklichkeit und bildlicher Repräsentation aufzulösen scheint.Ursula Mayer nimmt sich der Themen, deren Scripts von der Autorin und Kunstkritikerin Maria Fusco und der Filmtheoretikerin Patricia MacCormack nach Originaltexten verfasst wurden, in abstrahierenden Filmsettings an, in denen Filmzitate auftauchen, verschiedene Genres ausgelotet werden, Film und Performance einander überschneiden und visuelle Ebenen enthalten sind, die eher der Malerei entnommen scheinen. Dieses Prinzip überträgt sie in den Ausstellungsraum. In dem vom Berliner Architekten Roger Bundschuh entwickelten Ausstellungsdisplay werden Film, Fotografie, Objekt, Skulptur und Liveperformance zu einer dekonstruierten Gesamtnarration verwoben, in der gerade die Position und die Perspektive der Betrachter zu werkimmanenten Bestandteilen werden. Mayer zerlegt die Elemente kinematografischer Erzählung, um im dreidimensionalen Raum filmische Linearität zu unterlaufen und die konventionellen Bilder des Kinos und damit auch der Gesellschaft infrage zu stellen.
BiografieDie in London lebende österreichische Künstlerin Ursula Mayer (* 1970) arbeitet vorwiegend mit Film, Performance und Fotografie und entwickelt davon ausgehend raumfüllende Installationen, in denen gängige Wahrnehmungsmuster mittels des Performativen untersucht werden. Ursula Mayer hat an der Akademie der bildenden Künste in Wien und am Goldsmiths College in London studiert. 2007 gewann sie den Otto Mauer Preis, 2011 war sie Stipendiatin des International Studio & Curatorial Program (ISCP) in New York. Ihre Filme sind auf internationalen Filmfestivals wie Locarno, Oberhausen und Rotterdam präsentiert worden.
Einzelausstellungen: Krobath, Berlin; Performa 11, New York; Galerie Juliette Jongma, Amsterdam; Prospectif cinéma, Centre Pompidou, Paris; Kunstverein Hamburg, Hamburg; Institute of Contemporary Arts, London; Whitechapel Gallery, London; Frame, Frieze Art Fair, London; Lentos Kunstmuseum Linz, Linz; Monitor, Rom; Centraal Museum Utrecht, Utrecht.
Gruppenausstellungen: 11th Baltic Triennial at CAC Vilnius, Vilnius; LUX/ICA Biennial of Moving Images, ICA, London; SculptureCenter, New York; Transmission Gallery, Glasgow; Love/Hate, Ursula Blickle Stiftung, Kraichtal; Musée d’art contemporain de Montréal, Montreal; Bonniers Konsthall, Stockholm; MoMA PS1, New York; Julia Stoschek Foundation, Düsseldorf; Garage, Moskau; Krobath, Berlin; Swiss Institute, New York; Kunsthalle Basel, Basel; EASTinternational, Norwich; 2nd Athens Biennale, Athen; 4th Tirana International Contemporary Art Biennial, Tirana.
Kooperation: Ursula Blickle Stiftung und 21er Haus Mit dem Blickle Kino im 21er Haus, dem neuen Museum für zeitgenössische österreichische Kunst im internationalen Kontext, konnte bereits eine Schnittstelle von Kunst und Film in Wien etabliert werden. Hier werden alle Facetten heutigen Film- und Videoschaffens vor- und zur Diskussion gestellt. Filmemacher, Kuratoren und Programmer werden laufend eingeladen, zu ihren Arbeiten Stellung zu beziehen, wodurch ein Forum entsteht, in dem neueste Tendenzen erfahrbar werden. Als Kooperationspartnerin des Blickle Kino – der aus den 1950er-Jahren adaptierte Kinoraum war ein Geschenk von Ursula Blickle an das Museum – fungiert die Ursula Blickle Stiftung. Die einzigartige Public Private Partnership wird 2013 mit der Übernahme des Ursula Blickle Videoarchivs durch das Belvedere und der gemeinsamen Ausstellung von Ursula Mayer weiter ausgebaut.