Eine Nadel, die mühsam ihre Bahnen durch die Rillen zieht, lautes Rauschen, Knacken und heisere Töne: eine Sensation – der Phono- graph ist erfunden! Vieles, was heute selbstverständlich ist, hat seine Wurzeln im 19. Jahrhundert. Anhand der drei exemplarisch ausgewähl- ten Themen Weltausstellungen, Medien und Musik spürt die große Sonderausstellung des Germanischen Nationalmuseums diesen Auf- brüchen nach. Rund 500 Exponate, überwiegend aus dem eigenen Bestand, zeichnen in der Gesamtsch au das eindrucksvolle Bild einer Epoche, die keineswegs nur Geschichte ist.„Mit seinen einzigartigen und vielfältigen Sammlungen, die sowohl kunst- historische als auch kultur- und musikgeschichtliche Objekte beinhalten, ist das Germanische Nationalmuseum gerade zu prädestiniert, eine solch grund- legende Ausstellung zu realisieren“, betont Generaldirektor Prof. Dr. G. Ulrich Großmann. Die Welt wächst zusammen
Weltausstellungenlockten seit 1851 ein Mill ionenpublikum. Mit bombas- tisch inszenierten Präsentationen wettei ferten Nationen in Technik, Wissen- schaft und Kunst. Historische Fotografien des alles überragenden Pariser Eiffelturms aus dem Jahr 1889 oder dem beeindruckenden Riesenrad in Chicago 1893 zeugen in der Ausstell ung von den neuen technischen Mög- lichkeiten der Ingenieurskunst. Andere Foto- und Filmaufnahmen zeigen sogenannte „Amüsiermeilen“, auf denen Besucher durch exotische Straßen- züge und nachgebildete Dörfer flanieren konnten, um einen vermeintlich authentischen Eindruck von fremden Lä ndern und Kulturen zu erhalten. Moderne Kunstwerke, aber auch Kunstgewerbliches wie Gläser, Vasen, Stoffe und Möbel belegen die damals vorherrschende Vorliebe für exotische, vorwiegend asiatische Motive und Stil e. Kunst und Alltagsgegenstände aus fernen Ländern standen für eine (vermeintlich) weltoffene und gebildete Haltung ihrer Besitzer.
Kenntnisse von fremden Gegenden vermittelten sich aber vor allem über die Medien . Revolutionär war die Erfindung von Postkarte, Telegraf und Telefon – und auch umstritten: Schnelle, informelle Kurznachrichten ersetzten den elegant und wohlüberlegt formulierten Brief. Man warnte vor einem Verfall der Sprachkultur. Heute sind die „Nachfolger“ sms und twitter längst zu gängigen Kommunikationswegen geworden. Die Presselandschaft profitierte erheblich von den Neuerungen. Plötzlich konnten Ereignisse vom anderen Ende der Welt binnen Stunden kommuni- ziert werden. Eine tagesaktuelle Berichterstattung aus dem Ausland war damit erstmals möglich geworden. Die immer vielfältigere Presselandschaft bezog vermehrt das Bild mit ein. An Einfluss gewann die Werbung. Der Fort- schritt war rasant, mit neuen zwei- und dreidimensionalen Unterhaltungs- medien – wie Guckkasten, Laterna Magica oder Phenakistikop – begann der Siegeszug der Kino- und Freizeitindustrie. Auch die Musik erreichte immer mehr Menschen. Groß besetzte Konzerte kamen in Mode, Sängervereine erfreuten sich zunehmender Beliebtheit. Die Instrumente und Klangkörper wurden umfangreicher und lauter. Der Erfin- dergeist des 19. Jahrhunderts hatte es zudem möglich gemacht, Musik auf Tonträger zu bringen. Dank Phonog raph und Grammophon konnten Melo- dien jederzeit von jedermann unabhängig zu Hause abgespielt werden.
Um eine bessere Tonqualität bei Übertragungen zu gewährleisten, wurden Schalltrichter an Musikinstrumente montiert. Experimentiert wurde auch mit neuen Materialien – was Flöten aus Ebonit und Geigen aus Metall hervor- brachte. Strohvioline, Phonofiddle oder die überaus seltenen Metallgeigen sind in der Ausstellung nicht nur zu sehen, sondern dank Einspielungen von Studierenden der Hochschule für Musik an Medienstationen auch zu hören. Der Sonderausstellung ging ein dreijähr iges Forschungsprojekt voraus. Erar- beitet wurde ein Konzept, unterschie dliche Spezialsammlungen des Germa- nischen Nationalmuseums von der Französischen Revolution bis zum Ersten Weltkrieg zu einer einheitlichen Übersicht zusammen zu führen. In der Son- derausstellung „Wege in die Moderne“ haben Besucher jetzt die Gelegenheit, sich in der Gesamtschau ein umfassendes Bild einer für unsere heutige Zeit überaus relvanten Epoche der Geschichte zu machen.