„Wien außen“ ist das Ergebnis eines mehrjährigen Rechercheprojekts, das 2009 gestartet und 2013 abgeschlossen wurde: Schnelle und langsame Stadtveränderungen sollten festgehalten werden, am Beispiel von Menschen in Alltagssituationen, vor allem dort, wo „draußen“ und „drinnen“ fließend und unsystematisch ineinander übergehen. Der zentrale Begriff der Peripherie erfuhr im Zuge des Projekts eine Bedeutungserweiterung: Peripherie wird in Sattmanns Bildern weniger über die Topografie als durch Atmosphäre und soziale Konstellationen erfahrbar – und durch Gesten und Posen der Menschen.
Das besondere Interesse des Fotografen galt den nur scheinbar gesichtslosen Rändern, den Zuwanderungsgebieten in den Bezirken außerhalb des Gürtels, den „randständigen“ Lebenswelten von Künstlern, Menschen mit Behinderungen, Aussteigern oder Nudisten. „Die Ränder, sozial, gesellschaftlich, politisch, topografisch, sie haben mich schon immer interessiert, vielleicht auch, weil ich mich mit meiner Hörbehinderung selbst nicht der ´Mitte` zugehörig fühle“, so Sattmann. Aus den rund 6000 Digital-Aufnahmen, die der Fotograf auf seinen Streifzügen gemacht hat, werden in der Ausstellung rund 300 als Prints gezeigt (darunter 100 großformatige „Schlüsselbilder“), ergänzt um einige Reportage-Serien, die auf Screens zu sehen sind. Diese seriellen Bildessays zeigen Sattmann als Protagonisten der klassischen Sozialreportrage. Anlässlich der Ausstellung erscheint in der Fotohof edition ein gleichnamiger Bildband mit Textbeiträgen der Kuratoren/in (Rainer Iglar und Michael Mauracher vom Fotohof Salzburg, Susanne Winkler vom Wien Museum) sowie einem Text von Otto Hochreiter.
„Man muss hinfahren und schauen, was da ist.“ In diesem Zitat spiegelt sich die Offenheit des Fotografen gegenüber dem Unbekannten und die Lust am staunenden und vorurteilsfreien Entdecken. Das mehrjährige Projekt „Wien Außen“ hatte ein klares Ziel und war zugleich sehr offen. Einerseits sollte Sattmann aktuelle Zustände und Übergangszonen Wiens festhalten – vor allem „draußen am Rand“, wo sich permanent Neues ergibt. Unbekannt sind Sattmann die Überlagerungen zwischen Land und Stadt nicht, überquert er doch als Schnellbahnpendler aus dem Weinviertel zweimal täglich die Grenze Wiens. Andererseits gab es kein striktes Arbeitsprogramm, sondern ein ebenso methodisches wie intuitives Erkunden der Bezirke außerhalb des Gürtels bis hin zur Stadtgrenze. Für die Ausstellung ergaben sich daraus einige thematische Schwerpunkte, etwa jene zu Arbeitswelten (von der Ottakringer Brauerei bis zum Großbordell am Stadtrand, von der Wurstfabrik bis zur Marmeladenmanufaktur), Freizeit am Wasser oder landwirtschaftliche Nutzflächen. Das Dokumentarische ist durch Subjektivität gebrochen, Gefühle und persönliche Neigungen werden nie ausgespart. „Auf jeden Fall handelt es sich um einen Versuch, zu verstehen und darzustellen, was Urbanität ausmacht“, so Sattmann.
Ob als anonymer „Street Photographer“ auf der Donauinsel oder als Gast bei einer türkischen Hochzeit: Wichtig ist Sattmann, eine Beziehung auf Augenhöhe zu den Abgebildeten herzustellen: „Voraussetzung für das `Gelingen` einer fotografischen Begegnung ist, den anderen vollkommen zu respektieren. Wenn der andere diese volle Akzeptanz auch wahrnimmt, dann kann er sich öffnen.“ Sattmann sieht die Kamera nicht als „Waffe“, mit der man Fotos „schießen“ kann, sondern als ambivalentes Medium: Sie ermögliche eine Nähe, die ohne sie nicht möglich wäre, sei aber zugleich auch ein Schutz und Mittel zur Distanz.
Vom „Fotoreporter“ zum „Museumsfotografen“ Didi Sattmann, 1951 in der Steiermark geboren, begann nach der Matura in Wien Jus und Forstwirtschaft zu studieren und verdiente seinen Lebensunterhalt zunächst mit Gelegenheitsjobs – vom Monteur bis zum Stahlkocher. Seine ersten fotografischen Arbeiten entstanden 1979 im Auftrag des legendären Wiener Magazins „Extrablatt“, für das AutorInnen wie Elfriede Jelinek, Christoph Ransmayr, Peter Turrini, Freda Meissner-Blau und Franz Schuh tätig waren (Manfred Deix steuerte fürs Cover Cartoons bei). In den folgenden Jahren etablierte sich Sattmann als freier Fotograf für österreichische und internationale Medien und wurde Teil der Wiener Künstlerszene, die er seither fotografisch begleitet. In Ausstellungen wie „Die Nackten von Wien“ (1984) und „Die Wiener Szene“ (1987) wurden die journalistischen Milieustudien des Fotografen präsentiert, von 1985 bis 2000 porträtierte er im Auftrag der Wiener Festwochen unzählige KünstlerInnen im Bereich Tanz, Theater und Oper, dazu kamen Bildende Kunst, Musik, Literatur und Gesellschaft. Rund 500 Porträts (bzw. Porträtserien) wurden in die biografischen Sammlungen des Wien Museums aufgenommen (u. a. von Gery Keszler, Dagmar Koller, Willi Resetarits, Stefan Weber etc.), ein Schwerpunkt der dokumentarischen Arbeit für das Museum bilden die Themen Migration und Jugendkultur.
Dienstag bis Sonntag & Feiertag, 10 bis 18 UhrGeschlossen: 1.1., 1.5. und 25.12.
Eintritt: Erwachsene: 8 €. Ermäßigt 6 € (SeniorInnen, Wien-Karte, Ö1-Club, Menschen mit Behinderung, Studierende bis 27 Jahre, Lehrlinge, Präsenz- und Zivildiener, Gruppen ab 10 Personen) Kinder und Jugendliche unter 19 Jahre - Eintritt frei! Jeden ersten Sonntag im Monat für alle BesucherInnen - Eintritt frei!
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