Eine besondere BeziehungMit einem beeindruckenden Rollentausch setzen zwei herausragende Wiesbadener Künstler einen außergewöhnlichen Höhepunkt bei der 29. Art & Antique in den Rhein-Main-Hallen: Auf der Messe präsentiert die Wiesbadener Galeristin Christine Rother den Architekten Ludwig Goerz als Maler und den Maler Nabo Gaß als Architekten.Zu Wiesbaden knüpfte Goerz (1895-1988) schon während seines Architekturstudiums eine besondere Beziehung. Er war sowohl Schüler von Professor Friedrich Thiersch, der das Kurhaus erbaut hatte, als auch von Professor Theodor Fischer, dem die Stadt ihr Museum verdankt. 1934 nach Wiesbaden berufen, realisierte Goerz selbst neben den großen Allianz- Häusern in Mainz, Koblenz und Aachen unter anderem das Opel-Haus und den Brockhaus- Verlag. Überdies setzte Goerz den Umbau des alten UFA-Kinos der Stummfilmzeit in das Theater am Park und das Caligari-Kino ebenso erfolgreich um wie die Verwandlung des alten Malersaals in das "Kleine Haus".
Trotz seines Erfolgs zog sich Goerz als Architekt 1968 zurück, um sich ganz seiner großen Leidenschaft zu widmen: der Malerei. Ihr hatte er sich seit frühester Jugend gewidmet und bereits 1924 seine erste Einzelausstellung im Bamberger Kunstverein durchgeführt. Aber im Gegensatz zum neoexpressionistischen Spätwerk des "Jungen Wilden" ist von Goerz' Frühwerk kaum etwas erhalten: Mehr als 1000 seiner Bilder verbrannten 1945 im Wiesbadener Opel-Haus. Immer im Stehen schuf Goerz jedoch fast ebenso viele Bilder nach seiner Aufgabe der Architektur. "Ich malte wie im Rausch", erklärte das Multitalent, das sich auch als Autor, Buchillustrator und Bühnenbildner einen Namen machte. Die rund 1000 neuen farbintensiven Gemälde und ausdruckstarken Grafiken, die konsequent den Menschen in den Mittelpunkt stellen, entstanden zwischen seinem 75. bis 82. Lebensjahr.
Nabo Gaß, 57, der in den 80er Jahren nach seiner Ausbildung zum Glasmaler an der Wiesbadener Freien Kunstschule lehrte, schlug dagegen den umgekehrten Weg ein. Gaß entwickelte sich vom leidenschaftlichen Maler zum Architekten, der Architektur von der Zimmertür über Raumteilungen bis zur Fassade offensiv aufgreift, als Bildträger nutzt und in Kunst verwandelt. Mit seinen meist großformatigen Glasmehl-Gemälden reagiert Gaß harmonisch auf die Glasfronten moderner Architektur. Dafür brachte er die Glasmehlmalerei zu höchster Perfektion. Ursprünglich inspiriert von Lorenzo Ghibertis farbig leuchtenden Glasmalereien im Florenzer Dom Santa Maria del Fiore arbeitet Gaß auf Spezialglasscheiben, auf denen farbiges Glaspulver und Leim eingeschmolzen werden.
Wie Goerz' Malerei kreist Gaß' Architektur um den Menschen. Das erweist unter anderem sein aktueller Entwurf für das Hochregallager des Unternehmens Ernsting's family am Firmensitz in Coesfeld. Bis hin zur Fassade aus gefalteter Solarmembran ganzheitlich durchdacht, besteht das Gebäude aus ökologisch einwandfreien, recylebaren Baustoffen.Es trägt sich durch in die Fassade integrierte Photovoltaikanlagen energetisch selbst, da Gaß Nachhaltigkeit, Funktionalität und künstlerischen Anspruch kombiniert. Auch wie er seine mehr als 10.000 Quadratmeter große Solarglas-Fassade gestaltet, veranschaulicht Rothers Stand mit Werkbeispielen von Gaß und Goerz bei der Art & Antique in den Rhein-Main- Hallen.
Geöffnet ist die Kunst- und Antiquitätenmesse mit etwa 70 Ausstellern vom 26. – 29. Januar am Donnerstag u. Freitag 14 - 20 Uhr, Samstag u. Sonntag 11 - 19 Uhr. Der Eintritt beträgt acht Euro, Schüler und Studenten sind frei. Weitere Infos unter artundantique.de