Wien, 22. September 2023 Von 1955 bis 1958 macht Gero Schwanberg eine Goldschmiedlehre und besucht die Kunstgewerbeschule in Graz. 1960 übersiedelt er nach Wien, wo er bis 1962 an der Akademie der bildenden Künste in der Klasse von Albert Paris Gütersloh Malerei und an der Hochschule für angewandte Kunst von 1962 bis 1966 bei Hans Knessl Bildhauerei studiert. Ab 1966 sind seine Werke in Ausstellungen zu sehen. Ab den 1970er-Jahren stellt Gero Schwanberg sein bildhauerisches Können in den Dienst unterschiedlicher Wirklichkeitsbereiche. Sein Werdegang und sein Werkverzeichnis verdeutlichen dies auf eindrucksvolle Weise. Darin finden sich Skulpturen in der Landschaft, performative Inszenierungen im Dialog mit dem Publikum und dem Schriftsteller Reinhard P. Gruber bei der Aktion „Ent-Grabung“ am Zirbitzkogel in der Steiermark im Jahr 1985 oder Bauplastiken, skulpturale Ausstattungen für Bühne und Film, die Realisation dreidimensionaler Ausstellungsinszenierungen und die plastische Gestaltung der eigenen Umgebung. In den 1980er Jahren zieht sich Gero Schwanberg aus dem Galerien- und Museumsbetrieb zurück und präsentiert seine Skulpturen nun bevorzugt in der Landschaft und im öffentlichen Raum.
Einen wesentlichen Teil seiner Aktivitäten nimmt die Vermittlung traditioneller und neuester Bildhauertechniken in seinen Lehrveranstaltungen an der Universität für angewandte Kunst in Wien ein. Mit seinem außerordentlichen Engagement prägt und fördert Schwanberg von 1976 bis 2005 Generationen von Studierenden, wie u.a. das Design-Kollektiv EOOS oder Lilli Hollein. Merkmal seiner künstlerischen und universitären Arbeit ist seine besondere Kenntnis von Materialität. Kein Material, das Gero Schwanberg nicht verwendet, keine Technik, die er nicht beherrscht hat. Vom klassischen Modellieren mit Ton und anschließendem Guss in Bronze, Aluminium oder Blei über das Schnitzen in Holz oder Styropor bis zu vielfältigen Kunststofftechniken der Gegenwart wie Tiefziehen oder Schaumdruckformen spannt sich der Bogen seiner Herangehensweisen.
Christoph Hölz, Leiter des Forschungsinstituts Archiv für Bau.Kunst.Geschichte der Universität Innsbruck, in seiner Laudatio bei der Verleihung des Goldenen Ehrenzeichens an Schwanberg 2015: „Je länger wir redeten und ich zuhörte, desto stärker kehrte er seine Arbeit als Lehrer an der „Angewandten“ in den Vordergrund. Er betont die herzliche Beziehung zu seinen Studierenden während der dreißigjährigen Lehrtätigkeit, die er im Rückblick sogar zum Zentrum seiner Arbeit erklärt.“
Sein eigenes skulpturales Schaffen beschränkt der Bildhauer keineswegs auf die Kunstszene. Seine Arbeiten findet man vor allem in alltäglichen Kontexten wie z.B. am Bau, im öffentlichen Raum, in Film und Fernsehen, in Restaurants und auf Fassaden außerhalb des sogenannten „White Cube“. Ebenso in der Landschaft, überwuchert von Pflanzen, eingegraben unter der Erde, begangen von Ziegen oder Hunden.
Herausragendes Merkmal seiner Arbeit und Persönlichkeit ist eine auf sein Gegenüber ausgerichtete Arbeitsweise und die Kollaboration mit Kulturschaffenden aus verschiedenen Disziplinen. So hat Gero Schwanberg den Dialog in Form von Kooperationen und plastischen Umsetzungen von Ideen gepflegt wie kein Zweiter. Die Liste des Bildhauers, des Bauplastikers und des Bühnenbildners reicht von Kollaborationen mit Hausrucker & Co, Hans Hollein, Hermann Czech und Rob Krier über die Zusammenarbeit mit den Filmregisseuren Jean-Pierre Ponnelle u.a. für den Opernfilm „L’Orfeo“ (1978), Götz Friedrich u.a. für den Opernfilm „Salome“ (1974) oder John Glen für den Film „James Bond 007 – Hauch des Todes“ (1986) sowie Robert Dornhelms legendären Film „Kronprinz Rudolf“ (2005). Besonders fruchtbar war die jahrzehntelange Zusammenarbeit mit dem Architekten Hans Hollein wie u.a. beim „Zen Garden“ (2000) im Arsenale anlässlich der Architekturbiennale (11. Biennale de Venezia), wie Architekturhistoriker Christoph Hölz betont: „Mit Hans Hollein und Gero Schwanberg haben sich zwei Künstler gefunden, die sich auf stupende Weise ergänzten. Dass der bildende Künstler im Auftrag des Architekten arbeitete, tat der bildhauerischen Leistung keinen Abbruch und war nur folgerichtig, angesichts einer Rückbesinnung auf den Beginn der Moderne in Wien und die Vorbilder um 1900, auf Bauten von Otto Wagner, Josef Maria Olbrich und Josef Hoffmann. Auch in deren Entwürfen genossen Bauplastik, Reliefs und vollplastische Skulpturen enorme Bedeutung, waren integraler Bestandteil des Konzepts und traten allerorten in Erscheinung.“
Neben Architekt*innen hat Gero Schwanberg auch mit zahlreichen Künstler*innen wie u.a. mit Loys Egg und Klaus Pinter Projekte realisiert. So entsteht 1980 das Geburtenbett für VALIE EXPORT für den Österreich-Pavillon anlässlich der Kunstbiennale (39. Biennale di Venezia). Auch mit Schriftsteller*innen wie u.a. Ernst Jandl oder Reinhard P. Gruber pflegte Schwanberg einen inspirierenden künstlerischen Austausch. So zeichnet er u.a. 1971 für die plastischen Kostüme für das Stück „Zero Zero“ von Peter Turrini verantwortlich. Auftragsarbeiten für die Wiener Festwochen und das Theater an der Wien zählten ebenfalls zu spannenden Aufgabengebieten, ebenso Kollaborationen mit Ausstellungsmacher*innen wie Boris Podrecca oder Gae Aulenti.
Gerald Bast, Rektor, im Namen der Universität für Angewandte Kunst Wien
„Traurig müssen wir uns von einem langjährigen Lehrer der Angewandten verabschieden, der Generationen von Studierenden mit Kompetenz und Begeisterung betreut hat.“v Lilli Hollein, Generaldirektorin des MAK und ehemalige Studentin von Gero Schwanberg
„Wir trauern um Gero Schwanberg. Er war ein künstlerisches Gegenüber meines Vaters bei so eindrucksvollen Projekten wie dem Verkehrsbüro am Opernring in Wien, bei der Verwandlung des Künstlerhauses in ein türkisches Zelt im Rahmen der „Die Türken vor Wien 1683“-Ausstellung und dann bei „Traum und Wirklichkeit“ wo ein Turm des Karl-Marx-Hofes und eine riesige Klimt Figur das Künstlerhaus verwandelte. Auch das Tabakblatt am Portal der Trafik neben dem Haas Haus ist ein Werk von Gero Schwanberg.
Gero Schwanberg war auch Lehrender an der Angewandten, in der Meisterklasse von Paolo Piva, in der ich studiert habe und wo er uns so vieles vermittelt hat an Technik, Herangehensweise, Haltung und künstlerischen Durchhaltevermögen. Gero war ein Freund und er war der Mann, der die Totenmaske seines Freundes Hans Hollein abgenommen hat. So sehr seine Parkinson Erkrankung ihn im Griff hatte, konnte das seine Haltung, seine künstlerische Energie, seinen Humor und Feinsinn nicht verbiegen. Ich werde Gero Schwanberg vermissen.“
VALIE EXPORT, Medienkünstlerin
„Es schmerzt mich, einen so wertvollen, kreativen Menschen zu verlieren, mit dem ich künstlerisch viel und konstruktiv zusammengearbeitet habe. Angefangen vom „Geburtenbett“ bei der Biennale in Venedig 1980 bis zur Installation „Vivre. Un tableau vivant“ 2010. Gero Schwanberg war ein dialogisch ausgerichteter Künstlerkollege, der sein großes Wissen nicht nur für sich behalten hat, sondern mit anderen Kunstschaffenden geteilt und diese bei künstlerischen Umsetzungen unterstützt hat. Zudem war er ein so sympathischer und angenehmer Mensch.“
Design-Kollektiv EOOS (Harald Gründl, Martin Bergmann, Gernot Bohman)
„Wir trauern um Gero Schwanberg, er ist immer ein wichtiger Unterstützer unserer Arbeit gewesen. Von ihm haben wir gelernt, wie man Wissen in Machen umsetzt, was es heißt etwas zu produzieren – Kopf und Hand zu gebrauchen.“
Johanna Schwanberg, Tochter des Künstlers, Direktorin des Dom Museum Wien und Präsidentin von ICOM Österreich
„Ich habe mit Gero Schwanberg den wertschätzendsten und inspirierendsten Vater, den ich mir wünschen hätte können, verloren. Zugleich aber auch meinen ersten Gesprächspartner in Bezug auf die Kunst. Denn durch ihn wurde bereits früh mein Interesse an Kunstgeschichte geweckt.
Als ich begonnen habe, mich beruflich mit der österreichischen und internationalen Avantgarde und deren erfolgreichen, großteils männlichen Protagonisten zu befassen, habe ich manchmal bedauert, dass Gero im etablierten Kunstgeschehen nicht stärker mitgemischt hat.
Heute bin ich froh, dass Gero seinen eigenen Weg gegangen ist. Nicht nur, weil ich den Ansatz seines bildhauerischen Einschreibens in unterschiedliche Wirklichkeitsfelder vor dem Hintergrund skulpturaler Traditionen wie gegenwärtiger Kunstbegriffsfelder faszinierend finde. Auch weil ich davon überzeugt bin, dass sein kommunikativer, wenig machtorientierter Charakter nicht mit den Erfolgsmechanismen des Kunstestablishments kompatibel gewesen wäre. Dass er nicht der Vater, Freund, Ehemann, Kollege gewesen wäre, der er war, hätte er am Kunstmarkt so reüssiert, wie er sich das vielleicht insgeheim erträumt hat.“
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