Franz Xaver Messerschmidt im Unteren Belvedere – Der Mythos des Charakterkopfes neu betrachtet
Vom 31. Oktober 2025 bis 6. April 2026 widmet das Untere Belvedere dem österreichischen Bildhauer Franz Xaver Messerschmidt (1736–1783) eine umfassende Ausstellung, die sein Gesamtwerk neu beleuchtet und dabei mit alten Legenden aufräumt.
Die Schau zeigt Messerschmidt nicht nur als eigenwilliges Genie, sondern als Künstler einer kulturellen und politischen Zeitenwende. Seine Porträts von Mitgliedern des Hofes, der Wissenschaft und des Adels spiegeln die gesellschaftlichen Strukturen des 18. Jahrhunderts ebenso wie die neuen Ideale der Aufklärung.
Im Mittelpunkt stehen die berühmten „Charakterköpfe“, die ab 1770 entstanden und seitdem Rätsel aufgeben. Die Ausstellung stellt sie als Zeitphänomene vor – als Reaktion auf die politischen und wissenschaftlichen Umbrüche einer Epoche, in der Mimik, Physiognomie und Individualität zentrale Themen waren.
Generaldirektorin Stella Rollig: „Kein anderer Künstler der Sammlung des Belvedere fasziniert Publikum und Künstler*innen gleichermaßen wie Messerschmidt. War er Genie, war er Außenseiter? Vieles hat ihm die Geschichtsschreibung zugeschrieben, manches angedichtet. Mit der Ausstellung unternehmen wir eine Einordnung auf der Höhe unserer Gegenwart – und zeigen Messerschmidt in lange nicht gesehener Fülle.“
Das Belvedere besitzt den weltweit größten Bestand an Werken Messerschmidts und zeigt diesen seit mehr als hundert Jahren in der Dauerausstellung. Doch nun wird das Werk erstmals in einen internationalen künstlerischen Kontext gesetzt – mit Vergleichen zu Joseph Ducreux, William Hogarth und Jakob Matthias Schmutzer, die das historische Interesse an der Darstellung des Gesichts und seiner Entgleisungen unterstreichen.
Die Porträts, die Messerschmidt ab etwa 1769 schuf, markieren ein neues Verständnis vom Menschen: nicht mehr als barocke Repräsentationsfigur, sondern als individuelles Subjekt, geformt von Vernunft, Emotion und Beobachtung. Namen wie Maria Theresia, Felicitas von Savoyen-Carignan, Franz Anton Mesmer oder Gerard van Swieten führen in das kulturelle, medizinische und politische Klima dieser Zeit ein.
Die Ausstellung zeigt, dass die populäre psychopathologische Deutung der „Charakterköpfe“ seit dem 20. Jahrhundert den Blick auf Messerschmidts Werk einseitig verengt hat. Ziel der Präsentation ist es, diese Werke wieder als das zu lesen, was sie sind: Antworten auf die geistigen Strömungen ihrer Zeit.
Kuratorin Katharina Lovecky: „Auch wenn Messerschmidts Intention unklar bleibt, lassen sich an seinen ‚Charakterköpfen‘ zentrale geistesgeschichtliche Entwicklungen des 18. Jahrhunderts ablesen – sie fordern bis heute eine unmittelbare Reaktion ihres Gegenübers heraus. Ihre Frontalität und ihre Ausdruckskraft stehen exemplarisch für den Bruch mit dem akademischen Klassizismus.“
Die Ausstellung im Unteren Belvedere verspricht nicht nur ein Wiedersehen mit einem der faszinierendsten Künstler der österreichischen Kunstgeschichte, sondern auch eine Neudeutung seiner Skulpturen, die den Dialog mit der Gegenwart eröffnen.